(Der Artikel erschien auch im Gemeindeblatt Königshain-Wiederau 11.2020, mit freundlicher Genehmigung der Autoren)
Worum es geht
Infraschall kann als normaler Bestandteil der Umwelt gesehen werden. Er wird häufig zusammen mit niederfrequentem Hörschall emittiert. Meteorologische Phänomene wie Gewitter und Föhn aber auch Wind, der durch eine Wald- und Graslandschaft weht oder die Meeresbrandung können bspw. als natürliche Quellen von Infraschall bezeichnet werden. Hier tritt Infraschall in Form von niederfrequentem Rauschen auf. Diese Emission ist ungefährlich.
Als Infraschall bezeichnet man grundsätzlich den Frequenzbereich einer Schallwelle, also eines Tons, unterhalb von 16 Hertz. Das sind besonders tiefe Töne die das menschliche Ohr nur noch zu Teilen oder gar nicht mehr wahrnehmen kann. Seit Jahrzehnten und lange vor dem großflächigen Ausbau von Windkraftanlagen in Deutschland, versucht man Infraschall und dessen Auswirkungen auf den menschlichen Organismus mit entsprechenden Studien, Versuchsaufbauten und Messungen genauer zu erforschen. Diese Messungen finden beispielsweise Anwendung als Kontrollinstrument im Rahmen der Einhaltung des weltweiten Atomwaffenteststoppabkommens (CTBT).
Durch die technische Zivilisation wurden viele künstliche Infraschall-Generatoren hervorgebracht. So z.B. durch Flugzeugtriebwerke, durch Straßenverkehr, Industriemaschinen und ganz
praktisch durch Waschmaschinen und Wärmepumpen. Bei den meisten dieser Quellen tritt Infraschall jedoch im Zusammenhang mit hörbarem Schall auf. Er ist somit messbar, konnte in
zahlreichen Studien belegt und weitestgehend als gesundheitlich unbedenklich eingestuft werden, da er nur temporär wirkt.
Infraschall durch Windenergieanlagen
Bei Windkraftanlagen wird Infraschall permanent erzeugt und entsteht auch, wenn diese abgeschaltet sind. Luftströmungen in Verbindung mit der besonderen Aerodynamik der Rotorblätter ermöglichen diesen Umstand. Technisch gesehen können nur Schallwellen nachgewiesen und somit auch erforscht werden, die mittels Spezialmikrofonen oberhalb eines bestimmten Frequenz-Grenzbereichs liegen. Die Auswirkung von Infraschall über permanente, jahrelange Dosierung ist gerade für die Windenergieanlagen der neuen Generation noch nicht erforscht.
Für die in Wiederau und Königshain-Frankenau geplanten Anlagen in Höhe von ca. 240/250 Meter existieren noch keine Studien. Aufgrund der deutlich größeren Dimension dieser entsteht und wirkt Infraschall hier deutlich hochdosierter, durch die Größe der Rotorblätter wahrscheinlich auch deutlich tieffrequenter und damit kaum mehr analysierbar. Anwohner nehmen oft einen Brummton wahr. Dieser kommt dadurch zustande, dass beim Drehen der Flügel Luft gegen den Mast gedrückt wird. „Dadurch entstehe nachgewiesenermaßen ein Schalldruckpegel von bis zu 100 Dezibel, schon bei einem einzigen Windrad – das sei lauter als Fluglärm, der meist zwischen 60 und 70 Dezibel als gravierende Störung wahrgenommen werde. Im Gegensatz zum Fluglärm aber hört der Mensch Infraschall eben nicht (zit. n. Kirschstein 2020).“
Bislang wenig Forschung
Die Arbeitsgruppe um den Mainzer Professor und Herzchirurg Christian Vahl kamen in ihren Untersuchungen zu folgenden Erkenntnissen: „Beim Menschen reagierten Vibrationssensoren in der Haut auf die tiefen Schallwellen und lösten ein unterschwelliges Alarmsignal aus: `Das ist eigentlich ein Katastrophenzeichen`, erklärt Vahl, das habe Menschen in Vorzeiten geholfen, vor Unwettern oder Vulkanausbrüchen zu fliehen. Ist der Mensch den tiefen Schallwellen aber längere Zeit in hoher Frequenz ausgesetzt, kann das offenbar schwerwiegende Folgen haben:`Infraschall entfacht eindeutige messbare physikalische Wirkung am Herzen – und zwar ohne dass man
ihn hören kann`, betont Vahl (zit. n. Kirschstein 2020).“
Der Herzchirurg gründete an der Mainzer Universitätsmedizin vor 3,5 Jahren eine Arbeitsgruppe. Hintergrund waren schwere gesundheitliche Beeinträchtigungen von Menschen, die in der Nähe von Windenergieanlagen wohnen (Leistungsschwäche, Schlaflosigkeit, Abgeschlagenheit, Konzentrationsstörungen). Professor Vahl führte seine Untersuchungen anhand von zwei Muskelscheiben durch. Eine Probe wurde Infraschall (<16 Hz) ausgesetzt (mit einem Schalldruck
von u.a. 100 Dezibel) und die andere Herzmuskelprobe nicht. „Bei Proben, die eine Stunde lang Infraschall ausgesetzt waren, war eine deutlich verringerte Kraftentwicklung im Herzmuskel zu beobachten“, so Vahl. (zit. n. Kirschstein 2020)
Bereits nach einer Stunde wurde eine verminderte Herzleistung um mehr als 20 Prozent festgestellt (vgl. ebd.). Die Ergebnisse der Experimente wurden wie folgt von Vahl formuliert: Der Infraschall habe zu einem biophysikalisch messbaren Effekt auf den Herzmuskel geführt. Infraschall ist kein esoterisches Phänomen, sondern ein biophysikalisch messbarer Effekt, den man ernst nehmen muss. (zit. n. Kirschstein 2020).`
Die Untersuchungen entsprechen den Gütekriterien von Forschung (Objektivität, Validität, Reliabilität). D.h. sind Experimente sind wiederholbar und bringen wieder gleiche Ergebnisse hervor. Vahl weist darauf hin, dass ähnliche Ergebnisse auch aus früheren Studien mit jungen U-BootSoldaten hervorgingen. Das Fazit aus den Untersuchungen von Herrn Professor Vahl lautet: Abstand halten.„Der Schalldruckpegel reduziere sich mit zunehmender Entfernung exponentiell,
zwei Kilometer Entfernung von einem Windrad sei deshalb wohl eine sichere Entfernung. Die Aussage ist brisant, stößt sie doch mitten in eine heftig geführte Debatte um Abstandsregeln von Windkraftanlagen (zit. n. Kirschstein 2020).“
(Die eben dargestellte Studie aus Mainz „Negative Effect of HighLevel Infrasound on Human Myocardial Contractility“ erschien im Modus „Ahead of Print“ im renommierten Noise & Health Journal im Juni dieses Jahres. „Ahead of Print“-erschienene Studien sind dafür bekannt, dass sie den kompletten Verifizierungsprozess der Wissenschaft durchlaufen haben.) Eine Reportage vom WDR berichtete ebenfalls von den Forschungen aus Mainz (09.09.2020 / Prof. vahl ab 7min 14 sek)).
Bisherige Erhebungen und Normen
Generell gibt es bis heute nur ein paar wenige Erhebungen, die sich mit den Auswirkungen des entstehenden Infraschalls befassen. Und nicht selten werden diese von den Befürwortern von Windkraft wie den entsprechenden Bundes- und Landesbehörden (dem BMWi, dem Umweltbundesamt, den Landesumweltämtern) und den Lobbyverbänden der Windwirtschaft beauftragt und finanziert. Von eben diesen Institutionen werden die Studien gern als Belege dafür genannt, dass es anhand derer keine Anhaltspunkte für die gesundheitlich bedenkliche Wirkung des aus Windkraftanlagen erzeugten Infraschalls gibt.
Ausgerechnet in den Ländern – China und Deutschland – gibt es im Verhältnis zur Größe der Länder und ihrer Einwohnerdichte die weltweit wenigsten Studien, die sich diesem Thema widmen. Und das wo beide Nationen doch weltweit betrachtet zu den Spitzenreitern in der Forschung gehören. Jedoch ist eben China auch weltgrößter Produzent von Windanlagen und Deutschland aufgrund der vereinbarten Klimaziele im Verhältnis zu seiner Größe der größte Absatzmarkt. Ob Zufall oder nicht, bei der Windenergie gehen selbst Umweltpolitik und Lobbyverbände scheinbar Hand in Hand. Eine Bürgerin von Wiederau teilte uns bspw. mit, dass sie Infraschall wahrnehme, es aber erst nach längeren Forschen als solches erkannte. Sie klagt über Schlafbeschwerden, wenn die Töne für sie wahrnehmbar sind.
Wie gesagt, die für unsere Flure vorgesehenen Windenergieanlagen in Höhe von ca. 250 Meter gibt es aktuell noch nicht in diesem Ausmaß in Deutschland. D.h. es liegen für diese Höhe und diese Leistung auch noch keine profunden Erkenntnisse hinsichtlich der Auswirkungen vor. Aus unserer Sicht sollten Abstandsregelungen auch mit Blick auf die Höhen bedacht werden, bevor sie in Landesgesetze übergehen. Aktuelle laufen die Diskussionen hierzu auf Landesebene
noch.
Infraschall und Tiere
Ein kurzer Vermerk sei noch auf die Tierwelt gegeben. Diese ist mindestens genauso bedroht wie unsere Gesundheit. Abgesehen von Flugtieren besitzen Landtiere ein oftmals noch empfindlicheres Gehör als wir Menschen und könnten folglich durch die unangenehmen Schallwellen aus unserer Umgebung vertrieben werden.
Fazit
Ich selbst bin ein Befürworter von Windkraft als ein wichtiger Puzzlestein bei der Energiegewinnung mit alternativen Energiequellen um die Energiewende erfolgreich zu meistern. Seit Jahren beziehe ich selbst Ökostrom aus einem Energiemix mit Windstromanteil. Ich bin jedoch ebenso überzeugt, dass man mit der Wahl der Ökostromquelle genau abwägen muss, ob diese die beste und sinnvollste für Region und die Bevölkerung vor Ort ist. Hierzulande bringt Windstrom die Stromnetze nicht selten an den Rand eines Kollapses. Häufig müssen die Anlagen abgeschaltet werden, um genau dies zu verhindern. Zudem eignen sich in dicht besiedelten Gebieten Wasser- und Sonnenenergie deutlich besser und menschenfreundlicher zur Stromgewinnung als die Windkraft mit viel zu hohen Rädern in viel zu geringen Abständen zu Wohngebieten.
Gerade Genossenschaften wie die Agraset und die Volksbank sollte dieser Aspekt wichtig sein, um einen Boomerang-Effekt zu vermeiden. Schließlich ist man ja rege auf der Suche nach neuen Genossen aus der Region, auch wenn in vielen Genossenschaftskonstrukten die Bürgerinnen und Bürger mitunter kein Mitspracherecht haben, aber zahlen dürfen. Die Satzung der Genossenschaft sollte sorgfältig gelesen werden.
Andrea Böhm (Dipl. Betriebswirtin) und Jan Ehrlich (Dipl.-Ing. für Medientechnik) aus Königshain
(Bereits während des Studiums der Medientechnik (FH Mittweida) wurde seitens der Lehrenden auf die Gefahren von Infraschall hingewiesen, die eben auch bei Konzerten auftreten können.)
Literatur
Kirschstein Gisela (2020): Mainzer Studie: Infraschall von Windrädern kann die Herzleistung des Menschen deutlich schädigen (11.05.2020).
Verfügbar unter https://mainzund.de/mainzer-studie-infraschall-von-windraedern-kann-die-herzleistung-des-menschen-deutlich-schaedigen/
(1) Hinsichtlich der Vorgaben zum Infraschall bildet das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BISchG) den rechtlichen Rahmen.
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