Am 22.10.25 unterzeichnete der Landrat Mittelsachsens Herr Krüger die „Öffentliche Bekanntmachung über das Ergebnis der allgemeinen Vorprüfung nach dem Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung für die Errichtung und den Betrieb einer Windenergieanlage in der Gemarkung Niedercrossen der Gemeinde Erlau“.
Später, nach 20 Tagen bzw. vierzehn Werktagen (!) erschien am 11.11.25 in Ausgabe 168/2025e diese Bekanntmachung auf der Webseite des Landkreises Mittelsachsens. Wir schauen rein.

blau: bestehend, rot: neu geplant (ungefähre Lage; Quelle: Umap)
Auszüge aus der Vorprüfung
Im Ergebnis dieser Vorprüfung wurde festgestellt, dass unter Berücksichtigung der in Anlage 3 UVPG aufgeführten Kriterien keine UVP-Pflicht besteht, da das Vorhaben nach Einschätzung der Behörde keine zusätzlichen erheblichen nachteiligen oder andere erhebliche nachteilige Umweltauswirkungen haben kann, die nach § 25 Abs. 2 UVPG bei der Zulassungsentscheidung zu berücksichtigen wären.
Beeinträchtigungen der Schutzgüter Flora, Boden und Wasser sind durch Vermeidungsmaßnahmen als nicht erheblich einzustufen.
Beeinträchtigungen des Schutzgutes Fauna werden u.a. durch Abschaltzeiten, Schaffung einer unattraktiven Mastumgebung, Abschaltung bei landwirtschaftlichen Bewirtschaftungsereignissen sowie einer Bauzeitenregelung vermieden.
Eine erhebliche Beeinträchtigung des Landschaftsbildes ist durch die bereits bestehende Vorbelastung der vorhandenen bzw. genehmigten Windenergieanlagen und unter Berücksichtigung der Umsetzung einer landschaftsbildfördernden Kompensationsmaßnahme nicht festzustellen.
Aufgrund der Einhaltung der geltenden Immissionsrichtwerte sind auf das Schutzgut Mensch im Hinblick auf Schall und Schattenwurf auch keine Gefährdungen, erhebliche Benachteiligungen oder erhebliche Belästigungen zu erwarten.
„Unter sticht Ober“
Eine Allgemeine Vorprüfung ist kein Ersatz für eine vollständige Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP). Die Bekanntmachung des LRA Mittelsachsen erklärt, dass für das Windenergievorhaben in Niedercrossen keine UVP-Pflicht besteht, weil nach den Kriterien der Anlage 3 UVPG keine erheblichen nachteiligen Umweltauswirkungen erwartet werden. Kritisch betrachtet lohnt sich eine genauere Prüfung der Datengrundlage, Transparenz und Abwägungslogik.
Insgesamt entspricht die Bekanntmachung den Vorgaben des UVPG hinsichtlich der formalen Feststellung, dass keine UVP-Pflicht besteht. Dennoch bleibt die Frage, ob die eingesetzten Bewertungsmethoden, Datenbasis und Verfahren zur Untersuchung der Umweltbelastungen ausreichend transparent, nachvollziehbar und unabhängig sind [UVPG, Bundesumweltministerium].
Bewertung der Kriterien und Aussagekraft
Die Erkenntnis, dass keine erheblichen Umweltauswirkungen zu erwarten sind, basiert auf einer Einschätzung, die auf vorhandenen Untersuchungen und Vermeidungsmaßnahmen beruht. Dabei ist zentral, wie umfassend und transparent diese Untersuchungen sind. Es bleibt unklar, welche konkreten Daten, Gutachten oder Bewertungen den Schluss stützen, dass die Schutzgüter Flora, Fauna, Boden und Wasser nicht erheblich beeinträchtigt werden.
Transparenz und Beteiligung
- Die Bekanntmachung verweist auf eine formale Vorlage, lässt jedoch offen, wie die Untersuchungsergebnisse erarbeitet wurden, wer die Gutachten erstellt hat und ob diese unabhängig geprüft wurden. Hier ist Transparenz entscheidend, um die Glaubwürdigkeit der Entscheidung zu sichern.
Die Aussage, dass auf Basis der „vorliegenden Kenntnisse“ keine erheblichen Auswirkungen bestehen, sollte durch konkrete Hinweise auf die verwendeten Daten untermauert sein.
. - Die Einschätzung, dass die Beeinträchtigung des Landschaftsbildes durch die bestehende Vorbelastung sowie landschaftsverträgliche Kompensationsmaßnahmen bereits „nicht erheblich“ ist, wirft Fragen auf: Wird hier ausreichend dem rechtlich geforderten Grundsatz der Abwägung und des Schutzgüterausgleichs genüge getan?
Es ist höchst fraglich, ob die bereits vorhandenen Anlagen und geplanten Maßnahmen tatsächlich eine Vegleichbarkeit bzw. vollständige Kompensation bieten oder nur eine (zu) schwache Annäherung darstellen.
. - Die Darstellung, dass durch die Einhaltung der Immissionsrichtwerte keine Gefährdung für Menschen besteht, resultiert vermutlich aus den zugrunde liegenden Schall- und Schattenwurfmessungen (die nicht bekannt sind) bzw. nur aus Berechnungen, die der Realität mehr oder auch weniger entsprechen.
Es bleibt jedoch unklar, ob wirklich alle potenziellen Belästigungs- oder Sicherheitsrisiken ausreichend geprüft wurden, insbesondere vor dem Hintergrund der hohen Anlagenhöhe von 250 m.
Am Ende: nicht zu diskutieren!?
Die Formulierung am Ende der Bekanntmachung: „Es wird darauf hingewiesen, dass gemäß § 5 Abs. 3 Satz 1 UVPG die vorgenannte Entscheidung nicht selbstständig anfechtbar ist.“ bedeutet übrigens, dass gegen diese Feststellung kein eigenständiges Rechtsmittel eingelegt werden kann, sondern sie nur im Rahmen eines Rechtsbehelfs gegen die spätere Zulassungsentscheidung (z.B. Baugenehmigung, Planfeststellungsbeschluss) überprüft werden kann.
Fazit
Besonders bei Windenergieprojekten dieser Größenordnung ist die Abwägung der Landschaftsverträglichkeit und des Artenschutzes kritisch zu betrachten, da die tatsächlichen Auswirkungen oft komplex und nicht vollständig voraussehbar sind.
Die Vorprüfung sollte daher stets durch umfassende Fachgutachten untermauert werden, die öffentlich zugänglich sind und auch mögliche Langzeitwirkungen und verschärfte Anforderungen in Zukunft berücksichtigen.
Kritik
Das Landratsamt tritt hier als Vollstrecker einer Genehmigung auf, statt Marktwirksamkeit und Umweltinteressen kritisch abzuwägen.
Die Behörde erfüllt formal ihre Aufgabe, doch die öffentliche Kritik richtet sich vor allem gegen mangelnde Transparenz der Datengrundlage und die unklare Abwägung zwischen Umweltbelangen und Nutzungsinteressen. Ohne Einsicht in Gutachten, Kriterienkataloge und Vermeidungsmaßnahmen bleibt die Entscheidung für eine UVP-Pflicht unschlüssig.
