Das Wort „Bürgergenossenschaft“ suggeriert einen Zusammenhalt vieler Bürger:innen, möglichst der Mehrheit einer Region. Diese sehen gleichgesinnt einen Vorteil und Nutzen in der Beteiligung an dem Windkraftindustriegebiet und befürworten letztlich so dessen Existenz mit all den Vor- und Nachteilen. Die im Herbst in der Region gesammelten 1780 Unterschriften sprechen eine andere Sprache.
Derweil referiert die MSE über eine breite Eigentumsstreuung in der ländlichen Region, wenn sich Einwohnerinnen und Einwohner zum Erwerb genossenschaftlicher Anteile überwinden können. Wobei, wessen Eigentum sind eigentlich die Windräder tatsächlich und wem sind sie im Laufe der Zeit etwas wert? Wo entsteht für wen überhaupt Nutzen?
In der Info-Veranstaltung in der Turnhalle im September 2020 äußerte der erfahrene Leisniger Fachanwalt für Verwaltungsrecht Torsten Schmidt seine Bedenken. Zum einen, was die Relevanz eines Flächennutzungsplans angeht. Dieser enthält nämlich laut Herrn OB Schreiber für das Gebiet keine Windkraftvorrangflächen, sondern ist ein Vorrang – und Vorhaltegebiet für Natur- und Landschaft. Laut Fachanwalt würde das recht häufig gekippt. Bürger:innen profitieren also nicht, falls sich das “Profitieren” auf eine intakte Natur bezieht.
Beteiligung und Mitsprache
Zum anderen wies der Fachanwalt auf die Risiken einer genossenschaftlichen Beteiligung und die Entwicklung genossenschaftlicher Konstrukte in der Zukunft hin. So könnten die Genossenschafter verpflichtet werden, ihr Land zur Pacht für das Vorhaben zur Verfügung zu stellen. Die Kommanditgesellschaft (hier: Grüne Energie Mittelsachsen GmbH & Co KG) wird den auszureichenden Gewinn an die Genossenschaft für deren Jahresüberschuss bestimmen. Die Genossenschaft wiederum ist der Sache selbst orientiert, nicht an Gewinnerzielung. Gewinne – so sie denn von der Kommanditgesellschaft an die Genossenschaft ausgereicht werden – könnten auch dem Genossenschaftsanteil gutgeschrieben werden und erst bei Ausscheiden durch „Partizipieren am Geschäftsguthaben“ ausgezahlt werden.
Bürgernähe? Die Verbraucherzentrale sieht Defizite beim „demokratischen Konstrukt“ einer Bürgerenergiegenossenschaft mit einer Kommanditgesellschaft: „Kommanditisten haften dagegen in der Regel nur mit ihrer Einlage […]. Daher haben Kommanditisten oft auch nur geringe Mitspracherechte. An Gewinnen werden sie anteilig ihrer Einlage beteiligt.“ (VBZ 2019, „Bürgerenergieanlagen: Chancen und Risiken„).
Am Ende
Bei Pleite (zB. bei geänderten gesetzl. Rahmenbedingungen oder Gewinneinbruch) des Betreibers (Kommanditgesellschaft) werden bei “freier Handelbarkeit” die Verträge (der Genossenschafter, der Landeigentümer) laut Vertrag auf den Nachfolger umgeschrieben. Das kann dazu führen, dass letztlich der Anlagenbetreiber eines Windkraftindustriegebiets gar nicht mehr bekannt ist (irgendeine Gesellschaft). Insbesondere zum Ende einer Laufzeit gibt es bereits Beispiele, dass sich plötzliche Gesellschaftsveränderungen ergeben und an Investoren außerhalb der Europäischen Union verkauft wird. Dort Nutzungsentgelte oder Kündigung zu erwirken, ist schwierig bis hoffnungslos.
Anmerkung: Aktuell kann man auf der Presseseite von “Sachsenenergie” und z.B. “Energie und Management” nachlesen, dass die SachsenEnergie AG die Energieanlagen Frank Bündig GmbH übernommen hat. Der Anlagenbauer Frank Bündig hatte im letzten Jahr noch zu zwei Veranstaltungen bei uns in Königshain und Frankenau gesprochen und Werbung für den Bau der Windenergieanlagen durch seine Firma gemacht.
Gewinne?
Eine transparente Wirtschaftlichkeitsberechnung scheint als wichtiger Schritt noch offen zu sein. Dabei sind die Hauptkunden der primär auf die Wasserstofferzeugung ausgerichteten Anlage mit Agraset (Wasserstoff-Traktoren) und Regiobus (Wasserstoff-Busse) bereits benannt.
Die Windhöffigkeit (Erwartung der an einer bestimmten Stelle energetisch nutzbaren Luftbewegungen) ist nach Aussagen der Planer gut. Sicher kann sie mit dem Ertrag vor der Küste (Offshore) oder auf kahlen Bergeshöhen nicht mithalten.
Zu den Abschaltzeiten wegen Schlagschatten und Flugtieren sowie ferner bei Feldbestellung (erheblicher Vogelflug) muss sicher spekuliert werden. Auch hierzu fehlen statistische Erhebungen, über welche die an der Planung beteiligten Unternehmen doch eigentlich verfügen sein müssten? Das hinterfragt sicher auch die geldverleihende Bank.
Fazit
Die Planer geben bislang dennoch keine Anhaltspunkte zu Gewinnen / Erträgen aus einer Beteiligung, da diese von der Wirtschaftlichkeit des Windindustrieparks und Komponenten abhängen. Üblicherweise werden zudem bei solchen hohen Anfangsinvestitionen in den ersten Jahren und Jahrzehnten keine Gewinne ausgereicht. Da braucht es starkes Vertrauen.
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