Energieverschwendung vs. Energiesparen – Gedanken zur „Stunde der Erde 2022“
Alljährlich findet eine Klimaaktion statt, welche der WWF ins Leben gerufen hat: die „Stunde der Erde“. In diesem Jahr gehen am 26.03.2022 um 20:30 Uhr deutschlandweit an öffentlichen und weiteren Gebäuden für eine Stunde die Lichter aus.
Sinn der Aktion ist, die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit auf den Klimaschutz zu lenken. Das Ausschalten soll auf die Verschwendung von Energie durch unnötige Beleuchtung oder andere Energieverbraucher hinweisen. In diesem Jahr steht die Aktion laut WWF ganz besonders im Zeichen für Frieden in der Ukraine, in Europa und auf der ganzen Welt.
In diesem Jahr beteiligen sich an der inzwischen 16. Earth Hour mit 589 deutschen Städten mehr als im letzten Jahr (544). Rekord! Zudem sind viele Unternehmen und auch Bürgerinnen und Bürger in den Städten und Gemeinden an der aktionistischen Stunde beteiligt. Auch bei uns in der Region.
Gier nach Energie
Energie zur Beleuchtung
Eine Stunde „Licht aus“. So gibt es auch Kritik an dieser Aktion: schon 2007 wiesen u.a. Attac, klimaretter.info (heute klimareporter.de/, der NABU sowie weitere Umweltorganisationen darauf hin, dass neben der (unbegründeten) Sorge, die Stromnetze damit in Gefahr zu bringen, der Symbolcharakter dieser Stunde nur plakativ und nicht ausreichend nachhaltig ist.
Aktuell z.B. bei wetteronline.de wird in einem Beitrag die aktuelle Kritik so zusammengefasst: die Verwendung umweltschädlicher Paraffinkerzen anstelle von stromsparender Lampen konterkariert den Klimaschutz. Die virale Verbreitung von Videos zur Aktion sorgt für einen zusätzlichen Verbrauch beträchtlicher Stromquanten, also genau dem Gegenteil. Manchen mag die Nachricht verblüffen – inzwischen verbraucht „das Internet“ bereits halb soviel wie der gesamte weltweite Flugverkehr [Telespiegel / Galileo].
Inzwischen sind schon LED-Lichtquellen in den Haushalten und den öffentlichen Plätzen eingezogen, haben sogar die umweltschädlichen Energiesparlampen verdrängt. Konsequent könnte allein der Austausch von Glühbirnen in 50% der Privathaushalten zu einer Einsparung von 2,5 Mio t CO² führen. Konkret lassen sich bis zu 300 kWh bzw. 85€ jährlich im Schnitt in einem Haushalt sparen.
Leider verkehrt sich der Effekt des Energiesparens mit LED auch ins Negative. Nun werden umso mehr Körper nächtlich zum Leuchten gebracht.
Lichtverschmutzung
Im Zeitalter ausufernder Lichtverschmutzung hat die „Earth Hour“ einen nicht unerheblichen Nebenffekt: gerade in den Großstädten kommen die Menschen dank dieser Stunde und bei hoffentlich wolkenfreien Himmel dem Blick auf den Sternenhimmel wieder etwas näher. Die Zeitschrift „Stern“ (wie passend 😉) berichtet über eine Studie unter Beteiligung des Deutschen GeoForschungsZentrum (GFZ) in Potsdam: „Die Forscher nennen die Beobachtungen besorgniserregend. Neben den nachtaktiven Tieren, die gelernt hätten, sich im Dunkeln zu orientieren, habe die Lichtverschmutzung auch negative Folgen für die Pflanzen, die den Wechsel von Tag und Nacht für die Photosynthese benötigten.“
Und selbst in unserer Region sind durch die Beleuchtung von Kirchen und Stallungen die Effekte konkret spürbar – und sogar aus dem All dokumentiert (Light pollution map).
Energie zur Fortbewegung
Der Endenergieverbrauch für den Verkehr steigt kontinuierlich, obwohl der spezifische Energieverbrauch etwas sinkt [Umweltbundesamt]. Elektroautos verbrauchen auf 100 km (Renault Twizy) 6 bis (Tesla) 24 kWh.
Wieviel Energie benötigt der jeweilige Antrieb für für Fortbewegung auf 100 km? Ein übliches E-Auto benötigt dafür etwa 15kWh. Ein vergleichbarer Benziner verbraucht 5,5 l [The Mobility House]. Den Unterschied macht vor allem der effizentere Antrieb des Stromers und der geringere Wirkungsgrad beim Verbrenner.
Verbrauch für 100 km | á la Benziner | á la E-Auto |
---|---|---|
E-Auto | 46,2 kWh | 15 kWh |
Benzin (Super) | 5,5 l | 1,8 l |
Diesel | 4,7 l | 1,5 l |
Erdgas (CNG) | 3,6 kg | 1,2 kg |
Autogas (LPG) | 6,7 l | 2,2 l |
Durchschnittlicher Heizwert der Kraftstoffe: Super-Benzin 8,4 kWh/l, Diesel 9,8 kWh/l, Erdgas 13,0 kWh/kg und Autogas 6,9 kWh/l.
Die Zahlenspielerei verdeutlich vor allem, das ein Fortbewegen mit E-Antrieb aus verschiedenen Gründen nur noch ein Drittel der (*räusper* bereits in der Batterie befindlichen!) Energie benötigt.
Dennoch ist der vermeintlich saubere Einsatz von batteriegetriebenen Individualfahrzeugen ist ein zweifelhafter Weg, dem eigentlichen Ziel der Energieeinsparung näherzukommen. Aus einer Doku des WDR: „Am besten sind neue Mobilitätskonzepte. Und unter bestimmten Bedingungen können auch E-Autos ein Beitrag zum Klimaschutz sein.“.
Nur mit sinnvollen und verschränkten Mobilitätskonzepten lässt sich Individualverkehr verringern. In großen Metropolregionen funktioniert das bereits gut. Unsere ländliche Region darf dabei nicht vergessen werden. Und die „Blaue Mitfahrbank“ ist hoffentlich noch nicht das Ende dieser Überlegungen im Landkreis Mittelsachsen und der Stadt Mittweida.
Und sonst so?
Ohne Energie – vorrangig bereitgestellt „aus der Steckdose“ oder über Tanks zum Heizen und fahren – kann unsere Zivilisation nicht sein. Energieverschwendung zu beenden und Einsparpotentiale zu heben, ist das Gebot der Stunde. Und damit meinen wir jetzt nicht nur die „Earth Hour“.
Ach, wussten Sie schon?
„Allein die Herstellung von einem Kilogramm Rindfleisch benötigt soviel Energie wie eine 100-Watt Glühbirne bei 20-tägigem Betrieb verbrauchen würde.“
René Schärling, Referent der Tierschutzorganisation „Peta“ (Quelle: WDR)
Fazit
Nutzen wir die „Gunst der Stunde (der Erde)“, um über unsere eigene Energiebilanz nachzudenken. Als Anreiz, Umweltbildung zu erfahren und auch weiterzugeben. Als „Volksaktion für einen ökologisch geprägten Lebensstil“ (earthday.de). Und nicht nur, um unser Gewissen zu beruhigen, denn dafür gibt es keinen Grund.
Das nachhaltige Ziel muss aus unserer Sicht sein: sinnvoller Energieeinsatz, wo es ihn braucht, und Senkung der für unser Leben nötigen Energiemenge. Energie steht auch aus erneuerbaren Quellen nicht unbegrenzt und gleich gar nicht zum Nulltarif zur Verfügung.
PS: Die sinnvolle Beschränkung des eigenen Energieverbrauchs auf Dauer – und nicht nur stundenweise – kann dazu beitragen, dass nicht immer mehr Windräder vor unseren Haustüren stehen müssen.